Mit welchen Strategien machen wir unser Unternehmen heute fit für die Herausforderungen von morgen? Wie können wir wichtige Abläufe effizienter gestalten und welche digitalen Tools verschaffen uns einen echten Vorteil im Wettbewerb? Fragen, die sich zahlreiche Betriebe in Ostwestfalen-Lippe stellen. Antworten möchte das Fraunhofer Institut gemeinsam mit Unternehmen aus der Region finden. Ziel des Projekts „OWL 2025“ ist unter anderem die Entwicklung einer digitalen Roadmap. Diese soll besonders dem Mittelstand auf seinem Weg in die digitale Zukunft Orientierung geben. Was sich genau hinter dem Modellprojekt verbirgt und wie „OWL 2025“ Unternehmen fit für die digitale Transformation machen will, erklärt Fraunhofer-Projektkoordinatorin Magdalena Förster im Interview.
Frau Förster: Welches Ziel verfolgen Sie mit dem „Modellprojekt OWL 2025“?
Ostwestfalen-Lippe ist ein starker Industriestandort. Das soll auch künftig so bleiben. Damit das gelingt, müssen wir wichtige Entwicklungen aktiv vorantreiben. Ein Beispiel ist die digitale Transformation. Fast jeder kann sich etwas unter diesem Begriff vorstellen – in der Praxis fehlt es aber oft an Ideen und Konzepten, wie die Digitalisierung im eigenen Betrieb konkret umgesetzt werden kann. Genau hier setzt unser Projekt an. Wir begleiten ausgewählte Unternehmen auf Ihrem Weg in die digitale Zukunft, entwickeln Strategien und beraten sie bei der Implementierung digitaler Prozesse.
Welche Unternehmen aus OWL sind denn Teil des Modellprojekts?
Wir konzentrieren uns auf fünf Branchen, die in OWL sehr stark vertreten sind. Für jede dieser Branchen haben wir einen Betrieb ausgewählt, der die jeweilige Branche repräsentiert. Das Bielefelder Unternehmen Hochbau Detert etwa ist ein schönes Beispiel für ein erfolgreiches mittelständisches Bauunternehmen, das die digitale Transformation vorantreibt. Auch der Möbelfabrikant Schlehmeier aus Kalletal, der Kunststoffhersteller Friedrichs & Rath oder der Fleischfabrikant Eggelbusch nehmen an dem Projekt teil. So haben wir eine hohe Branchenvielfalt, sehr unterschiedliche Ausgangslagen und ganz verschiedene Sichtweisen auf die Digitalisierung.
Und wie läuft die Beratung durch das Fraunhofer Institut genau ab?
Die Digitalisierung beeinflusst ja alle Prozesse – von der internen Kommunikation über die Produktion bis hin zum Vertrieb. Zu Beginn setzen wir uns daher mit den Unternehmen zusammen und schauen, vor welchen Herausforderungen der Betrieb in diesen einzelnen Bereichen steht. Damit das gelingt, binden wir möglichst viele Akteure im Unternehmen ein. Neben der Geschäftsführung sitzen daher oft auch die Marketingleiter, Personalchefs oder Ingenieure mit an einem Tisch. Anschließend strukturieren wir gemeinsam die Themen, die im Betrieb wichtig sind, betrachten die „digitalen Herausforderungen“ aus verschiedenen Blickwinkeln und entwerfen dann eine Strategie, mit der wir genau diese Herausforderungen lösen können.
Wie eng läuft denn die Zusammenarbeit tatsächlich ab?
Wir setzen uns alle sechs bis acht Wochen mit den einzelnen Unternehmen zusammen. Bei diesen Gesprächen entwickeln wir dann gemeinsam eine Roadmap für das weitere Vorgehen, reflektieren das bisher erreiche und planen die nächsten Schritte. Es ist wirklich unglaublich, wie viel in diesen wenigen Wochen passieren kann. Oft sind wir selbst überrascht, dass schon wenige Denkanstöße oder Impulse reichen, damit das ganze Unternehmen mit Begeisterung bei der Sache ist. Wo vorher eher Skepsis herrschte, überwiegt dann auf einmal der Enthusiasmus. Gerade dann, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den wirtschaftlichen Nutzen der Digitalisierung verstanden haben. Da gibt es viele „Aha-Momente“.
Können Sie ein konkretes Beispiel für den Mehrwert der Digitalisierung nennen?
Klar – ein Beispiel sind Möbelhersteller. Diese arbeiten eng mit dem Möbelhandel zusammen. Daneben gibt es aber die Möglichkeit, Kunden über einen eigenen Online-Shop anzusprechen. Auch über QR-Codes, die an den Möbelstücken angebracht werden und mit deren Hilfe sich die Kunden auf dem Smartphone weitere Varianten des Sofas anschauen können, sind eine Option. Mit unserer Beratung möchten wir die Möbelhersteller so ein Stück weit unabhängiger und flexibler machen.
Unter einem Online-Shop für Möbelkunden kann man sich etwas vorstellen. Wie sieht das Ganze Im B2B-Geschäft aus?
Nehmen wir die Baubranche. Die Unternehmen aus diesem Wirtschaftszweig gelten als sehr traditionsbewusst. Innovationen werden zwar angenommen, aber bis sie sich durchsetzen, vergeht im Vergleich zu anderen Branchen doch etwas mehr Zeit. Ein gutes Beispiel ist das BIM (Building Information Management) mit der das Planen, Bauen und Bewirtschaften von Gebäuden digital und sehr effizient gestaltet werden kann. 3D-Modelle spielen hier ebenso eine Rolle wie die übergreifende Kommunikation mit allen am Bau beteiligten Gewerken. Das Problem: Obwohl 79 Prozent der Unternehmen die Vorteile des „digitalen Bauens“ erkennen, haben nur 18 Prozent einen konkreten Plan für die Umsetzung. Der Bielefeld Familienbetrieb Hochbau Detert ist da schon weiter, kann aber trotzdem noch nicht alle Vorteile des BIM nutzen. Denn viele Architekten oder Handwerksbetriebe haben eben noch nicht das BIM implementiert. Und wenn der Architekt kein BIM-Modell liefert, kann auch Hochbau Detert am anderen Ende der Wertschöpfungskette noch nicht alle Vorteile des BIM-Modells nutzen.
Also liegt hier eine Menge Potenzial brach?
Genau. Hochbau Detert hat schon früh mit der Digitalisierung begonnen. Papier spielt im Büro oder auf dem Bau kaum eine Rolle mehr und auch das Verständnis der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Möglichkeiten und Vorteile digitaler Prozesse ist sehr hoch. Wir schauen deshalb, wo die aktuell eingesetzten Softwarekomponenten noch besser als bisher eingesetzt werden können und spielen verschiedene Anwendungsszenarien für das Bauen mit BIM durch. Das verschafft Hochbau Detert einen enormen Wettbewerbsvorsprung. Denn während andere Unternehmen noch sehr analog arbeiten, spart Hochbau Detert schon jetzt Zeit, Geld und andere wichtige Ressourcen, die das Unternehmen besser in das Kerngeschäft investieren kann. Und wenn die anderen Betriebe aufholen, hat Hochbau Detert dann schon wertvolle Erfahrungen sammeln können.
Die Entscheidung zu großen Veränderungen wird in den meisten Betrieben von der Geschäftsleitung angestoßen. Wie groß ist die Gefahr, dass das Projekt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überfordert?
Natürlich muss die Entscheidung zur digitalen Transformation von der Geschäftsführung kommen und angestoßen werden. Aber nur, wenn alle im Betrieb von den Vorteilen der Digitalisierung überzeugt sind und verstehen, welchen ganz konkreten Nutzen sie selbst im beruflichen Alltag haben, wird sie ein Erfolg. Deshalb binden wir ja so viele Akteure wie möglich mit ein, hören uns ihre Meinungen an und geben Antworten auf ihre Fragen. Es geht darum, ein spezielles Mindset herzustellen. Denn Digitalisierung beginnt im Kopf.
Die Digitalisierung ist für viele Menschen immer noch ein abstraktes Thema. Welche ganz konkreten Vorteile bringt sie aus Ihrer Sicht gerade den mittelständischen Unternehmen?
Mit digitaler Technik allein ist noch nichts gewonnen. Erst wenn sie sinnvoll im Unternehmen eingesetzt wird, entfaltet sie ihr volles Potenzial. Und dann kann sie wie im Beispiel von Hochbau Detert für effizientere Prozesse sorgen – nach innen und nach außen. Das schon die Finanzen und gleichzeitig die Umwelt. Auch die Kundenzufriedenheit steigt, da die Unternehmen schneller reagieren, besser planen und Timings zuverlässiger einhalten können. Außerdem sorgt sie für mehr Transparenz. Wichtige Daten können gesammelt und analysiert werden. Das hilft unter anderem bei dem Erkennen von Trends und Entwicklungen. So kann das Unternehmen wesentlich besser für die Zukunft planen.
Das Projekt soll 2025 enden. Was kommt danach?
Das eigentliche Projekt endet bereits 2022. Die darauffolgenden drei Jahre werden wir aber nutzen, um die gewonnenen Erkenntnisse zu analysieren. Daraus abgeleitet entwickeln wir eine Strategie mit Handlungsempfehlungen und konkreten Maßnahmen, die nun angestoßen und in andere Projekte überführt werden. Auch Unternehmen, die nicht selbst am Projekt teilgenommen haben, profitieren. Wir planen unter anderem Impulsvorträge und Veröffentlichungen in verschiedenen Medien, die wertvolle Informationen enthalten werden. Das ist aber nicht alles. Wir merken schon jetzt das die ganzen Ideen und Konzepte eher langfristig ausgerichtet sind. Das Jahr 2025 ist dann vermutlich nur ein Meilenstein. Aber ein Meilenstein, der die Unternehmen in der Region und OWL selbst spürbar nach vorne bringen wird.
Frau Förster, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg mit dem Modellprojekt „OWL 2025“.