Nico, erzähle doch bitte, wie du zum Boxen gekommen bist.
Mit Kampfsport bin ich das erste Mal im Alter von elf Jahren in Kontakt gekommen. Das war aber noch in Halle Westfalen, wo ich damals gewohnt habe. Dort gab es eine kleine Kampfsportschule und mich faszinierten die Filme von Bruce Lee. Ich habe die Filme gesehen und wollte dann auch Karate oder eine ähnliche Kampfsportart lernen (lacht). Die Kampfsportschule in Halle war sehr teuer und hat mir nicht wirklich das geboten, was ich gesucht habe und wir sind dann schließlich auch in eine andere Stadt umgezogen. So habe ich den Kampfsport zunächst an den Nagel gehängt und mit Tanzen angefangen.
War das ein Kurs für Standardtänze?
Nein, ich habe Hip-Hop und Breakdance auf einem relativ hohen Niveau getanzt und auch an Meisterschaften teilgenommen. Die Begeisterung für Kampfsport blieb aber. Der nächstgrößere Verein war in Herford und für mich als Teenager unerreichbar. Mit 17 habe ich dann mit einem Freund dort ein Probetraining absolviert und als ich schließlich einen Führerschein hatte, bin ich eben auch selbst hingefahren. So kam ich das erste Mal richtig mit dem Boxsport in Kontakt. Später bin ich nach Bielefeld gezogen, habe hier mein Abitur gemacht und auch einige Jahre trainiert und gekämpft. Nach dem Abitur folgte das Studium und damit das vorläufige Ende des Boxens. Ich habe ein BWL-Studium begonnen, aber ziemlich bald gemerkt, dass das nichts für mich ist. Also habe ich überlegt „Was ist dir wirklich wichtig im Leben? Was treibt dich an und macht dir Spaß“? Sport war immer ein wichtiger Teil meines Lebens und so habe ich dann ein Sportstudium mit Schwerpunkt auf Gesundheit und Management begonnen und auch wieder regelmäßig geboxt. Mein alter Trainer hat mich häufig darum gebeten, seine Anfänger zu trainieren und so habe ich schließlich meine Trainerlizenz gemacht. Dabei habe ich schnell gemerkt, dass ich vieles, was mir mein damaliger Trainer beigebracht hat, nicht weiter so umsetzen wollte. Seine Philosophie als Trainer passte nicht zu meiner. Daher habe ich den Verein gewechselt und in Minden als Trainer weiter gearbeitet. Nach einiger Zeit bin ich dann zur Fighter's Hall in Herford und schließlich zum Sportpalast in Bielefeld gewechselt. Heute bin ich Sportwissenschaftler und Diplom-Boxtrainer.
Stimmt das Klischee, dass ein guter Tänzer auch ein guter Boxer ist?
Auf jeden Fall. Ein gutes Beispiel ist Evander Holyfield. Der hat systematisch Ballettunterricht genommen, und so sein Takt- und Rhythmusgefühl verbessert. Auch Muhammed Ali ist mit seinem weltberühmten Ali-Shuffle ein sehr gutes Beispiel für eine perfekte Rhythmisierung. Erfolgreiche Tänzer und erfolgreiche Boxer haben eben häufig ein extrem gutes Bewegungsempfinden.
Ab welchem Alter kann man denn mit dem Boxen anfangen – und wann ist man vielleicht schon zu alt dafür?
Es gibt kein zu Alt. Das gilt übrigens generell für den Sport und es gibt viele Studien, die das belegen. Du kannst und solltest in jedem Alter Sport machen. Sport sollte also generell zum Leben dazugehören. Es kann jedoch passieren, dass du dich zu früh spezialisierst und ich würde Eltern immer davon abraten, Kinder vor dem fünften Lebensjahr in eine Sportart hineinzuzwängen. Gerade was die koordinativen Fähigkeiten angeht, sollten in der Kleinkind- und Vorschulphase, motorische Basiskompetenzen ausgebildet werden. An dieser Stelle möchte ich allen Interessierten, die vier Leitsätze der ''Heidelberger Ballschule'' von Prof. Dr. Roth empfehlen. Ein Beispiel sind Fußballer, die sehr früh anfangen und dann zwar am Ball vieles können, aber ansonsten wenig sportartenübergreifende Basiskompetenzen entwickeln. Kinder sind immer zuerst Allrounder und keine Spezialisten. Ein gutes Alter, um mit dem Boxen anzufangen, ist generell zwischen sieben und acht Jahren.
Ihr trainiert auch Kindergruppen...
Im Training mit den Kindergruppen geht es eher darum, allgemeine koordinative Fähigkeiten auszubilden. Das Erlernen und Entwickeln von Fähigkeiten und Fertigkeiten wie rückwärtslaufen, Gleichgewichtsübungen, Körperwahrnehmung und Ähnlichem sind in diesem Alter unheimlich wichtig und stehen bei uns im Vordergrund. Olympisches Boxen wie wir es lehren, ist jedoch grundsätzlich erst ab einem Alter ab zehn Jahren erlaubt. Ich habe übrigens auch mit Menschen trainiert, die jenseits der 70 waren. Und genau das ist auch das Tolle an diesem Sport: Du kannst in jedem Alter damit beginnen und es auch für dich alleine, zu zweit oder in der Gruppe trainieren. Auch die Einstiegsbarrieren sind niedrig. Denn du benötigst nicht viel Ausrüstung. Auch aus diesem Grund ist Boxen eine Sportart, die viele Menschen so fesselt.
Also ist Boxen gerade für Anfänger kein teurer Sport?
Nein, auf keinen Fall. Es reicht, wenn Du dreißig oder vierzig Euro investierst. Es kommt eben nicht darauf an, woher du kommst oder welchen sozialen Status du hast. Du kannst dich nicht über die teure Tennis- oder Golfausrüstung profilieren. Hier ist jeder gleich. Du hast ja selbst erlebt, wie es ist. Jeder der bei uns trainiert, ist in erster Linie Sportler und es wird nicht darauf geachtet, wie edel seine Ausrüstung ist. Hier begegnen sich die Menschen auf Augenhöhe. Einige, die hier trainieren, gehören der Bielefelder High Society an. Wir haben Bankvorstände, Lehrerinnen, Ärzte, Geschäftsleute und Polizistinnen im Team und wieder andere sind Hartz IV-Empfänger. Hier kommen Menschen aller sozialen Schichten ins Gespräch, die sonst wahrscheinlich selten die Gelegenheit hätten, einander zu begegnen und ins Gespräch zu kommen. Hier hat man die Möglichkeit sich kennenzulernen und Vorurteile abzubauen. Das ist faszinierend.
Du hast ja schon gesagt, dass das Boxen auch eine integrative Funktion hat. Im Sportpalast trainieren Menschen ganz verschiedener Herkunft, Religion und sozialer Schicht. Du bist selbst türkische Abstammung. Vom Boxen mal abgesehen: Würdest Du sagen, dass sich das Klima in Deutschland verändert hat? Gerade seit der Flüchtlingskrise 2015?
Nicht unmittelbar, sondern eher unterschwellig. Wenn ich mit Bekannten oder deutschen Freunden rede, dann merke ich schon, dass das Klima so ein bisschen abgekühlt ist. Nicht unbedingt erst im Zuge der Flüchtlingskrise, die wir übrigens auch zu spüren bekommen haben, sondern auch schon davor. Wir haben hier einige Flüchtlinge im Sportpalast und das freut mich sehr. Denn hier haben wir die Möglichkeit, diese Menschen über den Sport an unsere Gesellschaft und an unsere Werte heranzuführen. Das ist natürlich nicht primär meine Aufgabe als Boxtrainer, aber ich empfinde es dennoch als wesentlichen Bestandteil meines Tuns. Wenn diese Menschen nicht die Möglichkeit haben, an unserer Gesellschaft zu partizipieren, dann werden diese Menschen auch nie den Einstieg in unsere Gesellschaft meistern. Hier können sie über den Sport beobachten, wie das Zusammenleben in Deutschland funktioniert.
Also trägt Boxen auch mit zur Persönlichkeitsentwicklung bei?
Eine Persönlichkeit haben diese Menschen vorher schon – genau wie alle anderen auch. Ich würde es eher Wertevermittlung nennen. Wir können über den Sport unsere hier, über viele Jahrhunderte errungenen freiheitlichen Werte, vermitteln und zeigen, welche Rechte man hat aber auch welche Pflichten es gibt. Ich habe drei ganz klare Regeln, an die sich jeder hier im Training halten muss. Die erste: Wir sprechen Deutsch. Wir sind hier ein multikultureller Sportverein, aber in erster Linie ein Sportverein in Deutschland, also ein deutscher Sportverein. Wir sind kein türkischer, kurdischer oder aramäischer Fußballverein, bei denen es in der Regel nicht um das sportliche Miteinander, sondern vielmehr um das Gegeneinander geht. Hier trainieren so viele unterschiedliche Nationalitäten miteinander – ich weiß gar nicht genau wie viele – Puerto-Ricaner, Russen, Türken, Deutsche, Griechen, Syrer…die Liste ist sehr lang. Diese Menschen haben eines gemeinsam: Die deutsche Sprache. Und nur auf Grundlage dieser Basis können wir uns verstehen. Wenn hier jeder in seiner eigenen Muttersprache reden würde, würde das nicht funktionieren. Wir würden einander nicht verstehen und es würde Missverständnisse erzeugen. Das geht nicht. Die zweite Regel lautet: Wir gehen respektvoll miteinander um. Die Dritte: Wir zeigen Toleranz. Ich erwarte einfach, dass alle ihre Konflikte beiseitelegen. Ich bin der erste, der das vorlebt. Meine Großeltern kamen vor knapp 60 Jahren aus der Türkei hierher und so habe ich das Glück, Einblick in beide Kulturen zu haben. Und natürlich bin ich auch von beiden Kulturen geprägt. Dadurch war mein innerer Konflikt in jungen Jahren nicht immer einfach, aber wertvoll.
Ein Einblick in verschiedene Kulturen hat ja auch Vorteile.
Ja natürlich. Ich kenne beide Seiten, ziehe mir mittlerweile das Beste aus beiden Kulturen heraus und was in meinen Augen keinen Sinn ergibt, lasse ich eben weg. Und das versuche ich meinen Sportlern auch vorzuleben.
Mal angenommen, einer deiner Trainierenden wäre bekennender AfD-Wähler. Wäre das ein Problem für dich?
Politik hat grundsätzlich im Sport nichts verloren. Auch wenn ich Trainerkollegen kenne, die offen mit der AfD sympathisieren, distanziere ich mich mit Nachdruck von denen. Diese Menschen versuchen uns auseinander zu dividieren, anstatt Gemeinsamkeiten aufzuzeigen und eine gemeinsame Wertegemeinschaft und Zukunft aufzubauen. Spalter, Populisten und geistige Brandstifter haben wir schon genug. Wir brauchen Stimmen und Persönlichkeiten, die uns vereinen und nicht welche die uns aufeinander hetzen. Was aber einer meiner Sportler wählt, kann und will ich nicht beeinflussen. Wir haben das große Glück in einer Demokratie zu leben. Jeder kann wählen wen er will und das ist auch gut so. Ich bin mir aber auch meiner Vorbildfunktion als Trainer bewusst und versuche meinen Sportlern ein Weltbild und eine Lebensphilosophie vorzuleben, die in meinen Augen erstrebenswert ist. Ein Leben, in dem man sich von allen radikalen Gedanken loslöst und mit wachen Augen und einem kritischen Geist und offenem Herz, versucht ein selbstbestimmtes Leben zu führen, ist meiner Meinung nach der Schlüssel für ein glückliches Leben. Alles Extreme und Radikale bringt Unheil mit sich, das hat uns unsere Geschichte gelehrt. Ich bin mir sicher, dass das, was wir hier vorleben auch mit dazu beiträgt, dass hier keine intoleranten und eindimensional verbohrten Menschen trainieren. Falls jemand zu extrem sein sollte, dann passt dieser Mensch nicht zu uns. Hier waren schon Extremisten aller Couleur. Diesen Leuten sage ich dann, dass sie sich einen anderen Boxverein suchen sollten, und empfehle Sie weiter.
Zurück zum Boxen. Welchen Tipp würdest du Eltern geben, damit diese feststellen können, dass Boxen der richtige Sport für ihr Kind ist?
Mein Tipp wäre, alles auszuprobieren. Lerne uns kennen, absolviere zuerst einmal Probetrainingseinheiten und schaue dir auch andere Sportvereine und Trainer an. Danach solltest du auf dein Bauchgefühl hören und dir überlegen, ob es dir Spaß macht und ob du auch bereit bist, in diesen Sport ausreichend Zeit zu investieren. Gerade beim Boxen ist es wichtig, dass du in kompetente Trainerhände gelangst. Achte also darauf, dass dein Trainer mindestens eine DBV C-Trainerlizenz hat. Wer diese Lizenz hat, hat ein einwandfreies Leumundszeugnis und wurde unter den Qualitätsstandards des DOSB auf seine fachliche und auch auf die persönliche Eignung hin beurteilt und über mehrere Monate ausgebildet und geprüft. Es gibt leider viele Scharlatane in der Kampfsportszene, die ohne jede Lizenz, als Boxtrainer in dubiosen Kampfsportschulen mit kommerziellen Interessen, arbeiten. Bei einer Kampfsportart wie Boxen, kann die Inkompetenz des Trainers jedoch sehr gefährlich sein. Bei diesem Sport können Menschen schwere Verletzungen davon tragen, ja sogar sterben. Und das passiert aus meiner Sicht, weil es Trainer gibt, die in diesem Sport nichts zu suchen haben. Der Schutz und die Gesundheit meiner Sportler hat oberste Priorität für mich. Ich könnte es nicht ertragen, wenn einer meiner Schützlinge eine Verletzung davon tragen würde, die er nicht mehr auskurieren kann. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber auch eine persönliche Beziehung zu dem Trainer. Wenn du das Gefühl hast, in guten Händen zu sein, ist schon viel gewonnen.
Ist Boxen eine effektive Selbstverteidigung für Frauen?
Grundsätzlich schon. Denn wenn du einem Angreifer eine volle Rechte auf die Nase gibst, sieht der erst einmal Sterne – und da ist es egal, ob eine Frau zugeschlagen hat, oder ein Mann. Eine gut platzierte Rechte auf die Nase, die tut immer weh. Aber Selbstverteidigung steht hier bei uns nicht im Vordergrund. Wir unterrichten Olympischen Sport. Natürlich kann und soll jeder, der in Not geraten ist, dass hier Gelernte anwenden und sich verteidigen. In erster Linie geht es mir aber darum, Sportler auszubilden, die Spaß haben und motiviert sind. Die Motivation diesen Sport auszuüben ist bei jeder Person anders. Der eine will abnehmen, der andere Selbstvertrauen aufbauen und der dritte vielleicht wirklich etwas für seine Selbstverteidigung lernen beziehungsweise Stress abbauen oder eben Wettkämpfe absolvieren. Und ich denke, wir werden hier allen Erwartungen gerecht.
Professionelles Boxen war immer auch Show. Vor einiger Zeit gab es einen Kampf zwischen dem MMA-Kämpfer Conor McGregor und dem Boxer Floyd Mayweather. Wird Profi-Boxen zu einer Zirkusveranstaltung?
Ich möchte mich wirklich gerne von diesem sogenannten professionellen Sport distanzieren (lacht). Viele Menschen sitzen vor dem Fernseher und denken „Wow, Profiboxer sind ganz was Besonderes“. Das ist nicht so. Beim Profiboxen geht es einzig und allein um finanzielle Interessen. Da gibt es mittlerweile eine Titelinflation bei den unzähligen Verbänden. Alleine in Deutschland existieren mindestens vier Nationale Profibox-Verbände, von denen jeder seine nationalen und internationalen Titel ausboxen lässt. Diese Titel sind in meinen Augen wertlos. Da wird einer über den Verband XY deutscher Meister bei den Profis, der bei den Olympischen Boxern nicht einmal über die Westfalenmeisterschaften hinaus gekommen ist. Das ist lächerlich. Ein guter Profiboxer hat auch in der Regel eine erfolgreiche Amateurkarriere hinter sich und muss sich nicht hinter dem Protektorat seines Managements verstecken. Wer Spitzensport sehen will, sollte sich Boxen bei den Olympischen Spielen ansehen oder Weltmeisterschaften der Amateure. „Amateure“ ist in diesem Fall auch ein falscher Begriff – denn eigentlich sind das absolute Hochleistungssportler. Nur eben nicht so extrem vermarktet. Ich behaupte, dass jeder Spitzenamateur jeden Profiweltmeister schlagen kann. Gerade dieser Kampf zwischen Floyd Mayweather und Conor McGreogor…
Hast du dir den Kampf denn angeguckt?
Ja natürlich (lacht). Ich selbst trainiere auch MMA-Kämpfer wie Nicolaj Wagner oder auch Jarjis Danho, der übrigens genauso wie Connor Mc Gregor für die UFC Kämpft. Aber bei solchen Kämpfen hofft man ja immer, dass ein Wunder geschieht. Gerade Floyd Mayweather ist so ein polarisierender Sportler. Die eine Hälfte der Zuschauer möchte, dass er einen auf die Mappe kriegt und die andere Hälfte, möchte, dass McGregor zu Boden geht. Im Großen und Ganzen wussten aber beide, wie der Kampf ausgehen wird. Und die Fachwelt beider Sportarten wusste es ebenfalls. Eines muss man den beiden aber zugutehalten: Wann hast du denn schon die Möglichkeit, innerhalb einer halben Stunde so viel Geld zu verdienen (lacht). Es geht eben nicht um Spitzensport, sondern um die Show. Der Kampf hat beiden Kampfsportarten eher geschadet als genutzt. Das war einfach kein schöner Kampf.
Früher kamen viele gute deutsche Boxer aus der ehemaligen DDR. War die Boxausbildung dort besser?
Ja. Man muss dabei einfach zwischen den beiden unterschiedlichen Fördersystemen unterscheiden, denen es nicht in erster Linie um den Sport ging, sondern um die Leistungsfähigkeit eines politischen Systems. Die DDR hat zu diesem Zweck einfach viel mehr in den Sport investiert als die Bundesrepublik. Denn für die DDR war das fast der einzige Weg, um sich zu profilieren und sich in der Staatengemeinschaft erfolgreich zu präsentieren. Die unterschiedlichen Weltanschauungen wollten zeigen „Wir sind besser und erfolgreicher“. Die DDR hat sehr früh und rigoros selektiert und einen riesigen Apparat aufgebaut, um Spitzensport zu fördern. Diesen Aufwand haben wir im Westen in der Form nicht betrieben und so hatte die DDR – nicht nur im Boxen, sondern auch in einer Reihe anderer Sportarten wie der Leichtathletik – großen Erfolg. Allerdings haben die Sportler durch das systematische Doping und auch den gesellschaftlichen Druck, einen hohen Preis dafür bezahlt. Als dann die Mauer fiel, haben wir es im Westen versäumt, die positiven Aspekte des DDR-Systems, die es eben auch gab, zu integrieren. Damals wurden viele Spitzentrainer arbeitslos und nur drei oder vier wurden im Westen übernommen wie beispielsweise Fritz Sdunek oder Uli Wegner. Andere mussten als Spitzentrainer ihr Geld auf Baustellen verdienen. Wir haben noch lange von den in der DDR ausgebildeten Boxern profitiert, aber irgendwann sind natürlich auch diese Boxer aus dem Leistungssport raus gewachsen.
Ist Boxen in Bielefeld eine beliebte oder nachgefragte Sportart?
Definitiv. Wir haben hier in Bielefeld schon alleine vier DBV-Vereine, die Olympisches Boxen anbieten und viele weitere Boxclubs. Boxen ist damit eine Ur-Bielefelder Sportart und fest verwurzelt. Einige dieser Vereine sind in den 1940er Jahren entstanden und haben eine lange Tradition.
Kommen wir zu den letzten zwei Fragen: Was würdest du sagen, ist eine unterschätzte Qualität von Bielefeld?
Bielefeld hat viel Potenzial. Wir sind eine Großstadt mit dem Charme einer Kleinstadt. Bielefeld hat eine Straßenbahn, viel Grün und innerhalb einer knappen Stunde bist du im Ruhrpott oder in Hannover. Hier gibt es so viele kulturelle Angebote und eine Gesellschaft, die sehr weltoffen und tolerant ist. Ich finde Bielefeld einfach toll und fühle mich hier Zuhause.
Mal angenommen, du wärst für einen Tag Bürgermeister von Bielefeld und könntest wie Trump alles per Erlass regeln. Was würdest du ändern?
Ich würde viel mehr Möglichkeiten schaffen, um sich sportlich zu betätigen. Damit meine ich nicht Wanderwege, sondern eher Fitness-Outdoor-Parks, also Spielplätze für Groß und Klein, Jung und Alt gemeinsam. Und ich würde viel mehr große und kleine Sportevents in die Stadt holen und auch die vorhandene Infrastruktur in Form von Sportstätten besser koordinieren und auslasten. In Zeiten der Kommerzialisierung des Sports, dürfen wir es nicht den kommerziellen Sportanbietern überlassen, die Partizipation am Sport anhand des Einkommens auszumachen. Die Kapazitäten hierzu sind da und die Stadt und Ihre Menschen hätten es mehr als verdient.