Zu Beginn eine ganz grundsätzliche Frage: Wieso ist Blutspenden eigentlich so wichtig und wer profitiert von einer Blutspende?
Die ganze Bevölkerung profitiert. Denn es gibt eigentlich kaum einen Menschen, der nicht im Laufe seines Lebens ein Produkt verwendet, das auf Blut basiert. Dabei wird das Blut nur sehr selten direkt über einen Beutel gespendet. Die meisten Blutprodukte werden als Medikament verabreicht. Ein Beispiel sind Stoffe für die Impfung. Diese werden aus Blutplasma hergestellt. Wer also eine Tetanusimpfung bekommen hat, hat auch ein Produkt aus Blut erhalten. Bei Vollblutspenden denken viele Menschen erst einmal an Konserven, die nach einem schweren Unfall verabreicht werden. Dabei werden die meisten Konserven bei geplanten Operationen im Krankenhaus verabreicht – also nicht nach akuten Notfällen. Es gibt auch Krebserkrankungen, die mit Blutprodukten therapiert werden. Und vor Krankheiten wie Krebs ist nun wirklich niemand geschützt.
Welche Blutgruppen sind denn besonders selten oder wichtig?
Wichtig sind die Blutgruppen, die in der Bevölkerung besonders häufig vorkommen. In Deutschland sind dies die Blutgruppen A und 0. Eine Ausnahme bilden besonders seltene Blutgruppen mit einem bestimmten Rhesusfaktor. Dieser ist wichtig für eine rhesusgleiche Übertragung. Das betrifft aber insgesamt nur etwa 15 Prozent aller Blutspenden. Die Blutgruppe 0 negativ darf für jeden Spender gegeben werden. Säuglinge erhalten zum Beispiel grundsätzlich nur Blutkonserven mit 0 negativ.
Die Verteilung der Blutgruppen in Deutschland.
Hat denn eine Blutspende auch für den Spender selbst gesundheitliche Vorteile?
Ja. Der Körper wird angeregt, schneller neues Blut zu produzieren, als er es normalerweise tun würde. In jungen Jahren ist das noch nicht so wichtig, aber wenn man älter wird, schlafen die blutbildenden Organe langsam ein. Durch eine Blutspende werden diese neu angeregt und der Körper hat auch im Alter eine gesunde und aktive Blutbildung. Natürlich untersuchen wir das Blut nach einer Spende und so entdecken wir häufig bislang unerkannte Infektionskrankheiten. Das ist dann auch für junge Spender wichtig.
Bis zu welchem Alter darf denn überhaupt Blut gespendet werden?
Laut Gesetz darf man bis zu einem Alter von 68 Jahren Blut spenden. Das ist gegenüber früheren Zeiten schon eine deutliche Erhöhung. Man hat eben festgestellt, dass die Blutspender heute auch in späteren Jahren fit genug sind und durch eine Blutspende nicht überfordert werden. Mit 68 schauen wir dann noch einmal auf den gesundheitlichen Zustand des Menschen und bestimmen sein biologisches Alter. Wer gesund ist, kann dann auch mit 71 Jahren noch Blut spenden. Dann ist aber definitiv Schluss.
Vom Alter abgesehen: Welche potenziellen Spender müsst ihr darüber hinaus ablehnen? Einige Menschen leiden ja unter einem Eisenmangel oder ernähren sich schlecht…
Das lässt sich leicht durch Nahrungsergänzungsmittel oder eine Ernährungsumstellung beheben. Auch Veganer oder Vegetarier können durch eine ausgewogene Ernährung gute Blutspender sein. Was viele nicht wissen: Kaffee und Schwarztee sind zum Beispiel „Eisenräuber“, die dafür sorgen, dass der Körper mit dem Mittagessen nur wenig anfangen kann, wenn man danach seinen doppelten Espresso genießt. Denn dann ist das Eisen aus dem Blut kaum verwertbar. Als „Gegenmittel“ reicht aber schon ein einfacher Apfel, der mit seinem Vitamin C wieder dafür sorgt, dass das Eisen nicht ausgeschwemmt wird, sondern besser verwertet werden kann. Ein Kaffee am Morgen ist kein Problem, man sollte es aber nicht übertreiben. Das gilt für alle Lebensmittel. Es gibt Nährstoffe, die sich gegenseitig unterstützen und solche, die sich blockieren. Mein Tipp: Nicht jedem Ernährungstrend hinterherlaufen. Denn jeder Mensch ist mit seinem Körper einzigartig und hat andere Anlagen. Ernährung ist also eine individuelle Sache und kann nicht durch ein standardisiertes Programm jedem Menschen übergestülpt werden. Im Zweifel hilft ein guter Ernährungsberater weiter.
Jeder, der Blut spenden möchte, wird vorher ärztlich untersucht. Welche Blutwerte werden denn dabei unter die Lupe genommen?
Da macht der Gesetzgeber genaue Vorschriften. Wir untersuchen zum Beispiel auf Infektionskrankheiten und Viren wie HIV oder Hepatitis A, B, C oder E. Wobei gerade Hepatitis E im Alltag oft unbemerkt bleibt. Übrigens: Wer gerne Mettbrötchen isst oder sein Fleisch vom Wildschwein und Reh nicht richtig durchbrät, kann sich diese Krankheit leicht einfangen. Wir nennen das Ganze dann gerne eine „Mettbrötcheninfektion“. Wir testen aber auch auf Krankheiten wie Syphilis, die gerade im Spätstadium große Schäden im Körper anrichten können. Du solltest also nur zum Spenden gehen, wenn Du dich rundherum wohl fühlst und der Meinung bist, dass Du Dich von jeder Infektion ferngehalten hast. Ist man Erzieher und im Kindergarten toben die Masern, bleibt man besser zu Hause.
Was ist mit Spendern, die einen sehr hohen Cholesterinwert oder einen Diabetes haben?
Auch diese Menschen können gerne spenden. Wir machen eh keinen Checkup wie beim Arzt. Denn Werte wie der Blutzuckerspiegel sind sehr ernährungsspezifisch. Deshalb musst Du vor einer Blutuntersuchung beim Arzt nüchtern sein und darfst nichts gegessen haben. Wenn Du hingegen Blut spenden möchtest, solltest Du definitiv Nahrung zu dir genommen haben. Bei uns sollte man hingegen möglichst gut gegessen haben und das kann den Blutzuckerspiegel und andere Blutwerte natürlich kurzfristig verändern. Der Hausarzt schaut aber beispielsweise nicht auf Infektionen. Und wir haben schon den einen oder anderen Blutspender auf eine unentdeckte Infektion hinweisen können, wie eben den Hepatitis E-Virus. Diese Menschen konnten wir dann in Behandlung schicken, bevor größere gesundheitliche Schäden entstanden. Der Vorteil der Blutspende liegt also in der Früherkennung dieser Infektionen.
Viele Menschen möchten sicher gerne Blut spenden, sind aber berufstätig und haben daher unter der Woche nur wenig Zeit. Wäre es nicht sinnvoll, dass eine Blutspende auch am Samstag möglich ist?
Wir versuchen unseren Spendern durch lange Öffnungszeiten unter der Woche entgegenzukommen. Wer also gegen 18.30 Uhr noch Blut spenden möchte, kann das bei uns in der Regel auch tun. Die meisten Spender kommen eh am Freitagnachmittag. Da haben viele Menschen, wie zum Beispiel Handwerker, eher frei und so die Gelegenheit zu spenden.
Wie lange dauert es eigentlich, bis sich das Blut komplett neugebildet hat und man sich als Spender „erholt“ hat?
Das Blut bildet sich in den einzelnen Komponenten in unterschiedlicher Geschwindigkeit neu. Eine halbe Stunde nach der Spende, vorausgesetzt man trinkt ausreichend, ist eine gleiche Blutmenge im Körper unterwegs wie vor der Spende. Dieses schnell neu gebildete Blut hat aber eine etwas andere Qualität. Es sind weniger weiße und rote Blutkörperchen vorhanden. Die Thrombozyten und die Leukozyten sind innerhalb kürzester Zeit wieder da, da es sich dabei um schnell regenerierende Zellen handelt, die bei Blutungen oder fieberhaften Erkrankungen schnell wieder leistungsfähig sein müssen. Die roten Blutkörperchen sind nach etwa sechs Wochen vollständig wieder hergestellt. Wenn Du beim Hermannslauf mitmachen möchtest, solltest Du also in den Tagen vor dem Wettkampf besser kein Blut spenden (lacht). Am Spendetag selbst sollte man sich eh besser nicht schwer körperlich belasten.
Wird in Bielefeld im Vergleich zu anderen Städten eigentlich viel Blut gespendet?
Wir haben nicht die Zahlen der anderen Spendedienste, wissen aber, dass es eine sehr hohe Spendebereitschaft bei den Krankendiensten des Spendedienstes in Gilead und beim DRK gibt. Man kann generell sagen, dass in Unistädten wie Bielefeld die Spendebereitschaft etwas höher ist als in anderen Städten ohne Universität. Studenten oder junge Menschen generell, haben vielleicht etwas mehr Zeit für eine Spende. Bielefeld steht also ganz gut da.
Wurde früher mehr Blut gespendet als heute?
Im Prinzip ist es so: Wer einmal im Jahr spendet, bezeichnet sich als Blutspender. Wer nur alle 10 Jahre spendet, sagt, er sei Blutspender. Für mich sind Blutspender Menschen, die wirklich regelmäßig zur Spende gehen und beispielsweise schon 25 Mal gespendet haben. Frauen dürfen übrigens bis zu vier Mal im Jahr spenden, Männer bis zu sechs Mal. Dies wird aber nur in den seltensten Fällen von allen Blutspendern ausgeschöpft.
Muss ich, um Spenden zu dürfen, eigentlich einen deutschen Pass haben?
An manchen Tagen sehen wir Menschen aus der ganzen Welt die bei uns spenden. Voraussetzung ist also keine bestimmte Nationalität, sondern die Fähigkeit der Verständigung in Wort und Schrift in unserer "Amtssprache". Und die ist hier nun einmal Deutsch. An manchen Tagen liegen hier Menschen aus 10 bis 15 verschiedenen Nationalitäten auf der Liege – Spanier neben Griechen, dazwischen bestimmt eine deutsche Studentin, dann jemand aus Polen, der Ukraine, der Türkei und dann mal ein Schotte. Wir haben auch Spender aus Syrien und Iran, Marokko und Finnland. Genau so wie das Spektrum der Nationalitäten an der UNI einfach bunt ist, so sehen wir Menschen aus aller Welt bei uns Blut spenden.
Du grillst privat auch sehr gerne…
Mit wachsender Begeisterung.
Naheliegende Frage: Magst Du Dein Steak eher blutig?
Ja klar (lacht).
Dein Beruf ist wahrscheinlich auch nicht für Menschen geeignet, die kein Blut sehen können. Wie oft passiert es eigentlich, dass ein Spender bildlich gesprochen „aus den Latschen kippt“?
Bei uns kippt zum Glück niemand aus den Latschen, da die Spender ja sicher auf einer Bank liegen und durch uns natürlich auch gut beobachtet und versorgt werden. Und die ganz seltenen Schwächeanfälle kriegen wir auch schnell in den Griff. Das trainieren wir auch regelmäßig. Unser Team ist auch sehr erfahren und wir können uns alle aufeinander verlassen. Das Vorurteil, dass gerade junge Frauen schnell umkippen, stimmt so übrigens auch nicht. Diejenigen, die die Blutspende schlecht vertragen, haben sich oft nicht gut vorbereitet. Wer vorher ausreichend gegessen und getrunken hat und nicht zu abgehetzt ist, steckt eine Blutspende locker weg.
Bin ich nach einer Blutspende eigentlich anfälliger für Erkältungen? Ist das Immunsystem gestresst?
Nein, glücklicherweise nicht. Die Abwehrkräfte sind nach einer Spende genauso fit wie vorher.
Würdest Du dir eigentlich von der Politik mehr Unterstützung oder Aufmerksamkeit für das Thema Blutspende wünschen?
Ich glaube, vielen Politikern sind einige Aspekte aus dem Gesundheitswesen etwas fremd, weil sie selbst wesentlich besser versorgt sind als der Durchschnittsbürger.
Zum Schluss zwei Fragen zu Bielefeld: Was ist Deiner Meinung nach eine unterschätzte Qualität der Stadt?
Bielefeld ist sehr vielfältig und breit aufgestellt. Das gilt nicht nur für die Wirtschaft, sondern vor allem auch für medizinische oder soziale Angebote und Berufe. Eigentlich ist alles genau so, wie es sein soll. Wobei: Ein schöner Fluss mit fließend Wasser fehlt (lacht).
Mal angenommen, Du könntest für einen Tag Oberbürgermeisterin von Bielefeld sein, was würdest Du ändern wollen?
Ich würde an einigen Stellen Trinkwasserbrunnen von guter Qualität aufstellen. Das wäre nicht nur im Hochsommer wichtig, sondern auch im Winter. Nicht jeder hat immer die 2,50 Euro für ein Mineralwasser zur Hand. Es gibt auch viele Vierbeiner, die auf Trinkwasser angewiesen sind. Ansonsten möchte ich noch sagen, dass Bielefeld – vor allem im Vergleich zu vielen anderen Städten – sehr bunt und sozial ist. Die Stadt ist weltoffen und wir sind es gewohnt, dass hier Menschen aus anderen Kulturkreisen leben. Ich glaube, dass gerade durch die Universität und den dadurch entsprechend hohen Anteil an gebildeten jungen Menschen hier wenig Fremdenfeindlichkeit besteht. Wenn hier ein Arzt oder eine Krankenschwester einen Akzent oder eine andere Hautfarbe hat, spielt das keine Rolle. Bielefeld ist aber leider nur sehr wenig barrierefrei. Bad Oeynhausen als „Stadt ohne Stufen“ ist da wesentlich weiter. Trotzdem ist Bielefeld für mich absolut lebenswert.